Am Ursprung dessen, was wir unsere Welt nennen, liegt Unfassbares, Ungreifbares, Gefühltes, Schemenhaftes, liegen elementare bildhafte Versuche einer Erklärung der Welt. Kein Lebewesen kann überleben ohne eine solche, und sei sie auch noch so ursprünglich, primitiv und beschränkt auf einen Lebensraum geringer Komplexität.

Mit dieser primitiven Weltsicht werden Mythos und Poetik geboren, die mythologische Erklärung der Welt und ihre poetische Erfahrung: Bilder, Gesten, Laute, Töne. Sie entstammen dem Urgrund unserer Wahrnehmung, unserer Gefühle und Empfindungen und verleihen ihnen Ausdruck gegen die anderen und gegenüber der Welt.

Im Vorspiel zu Joseph und seine Brüder schreibt Thomas Mann, der Brunnen der Vergangenheit sei tief und fügt hinzu, je tiefer wir grüben und suchten, desto deutlicher erwiesen sich die frühesten Grundlagen der Menschheit, ihre Geschichte und Kultur als unergründlich.

Dichtung erkundet diesen Brunnen, ist Archäologie und Projektion zugleich, beschreibt, erschafft Welten, die für den Rezipienten notwendigerweise fremde Welten sind, da er sie aus zweiter Erfahrung erhält.

Ein Autor, ein Maler, ein Kompositeur wird nie zweimal sein Werk auf die gleiche Art, mit den gleichen Empfindungen lesen, hören oder sehen können: Wenn auch die geschriebenen Worte, Bilder, Töne noch immer dieselben sind, der Verfasser ist es nicht.

Das Produktionserlebnis lässt ihn verändert zurück, er verändert sich in diesem Prozess (und möglicherweisen noch vielen weiteren Prozessen), an denen er erfahrend teilnimmt.

Am Anfang waren die Elemente der Kommunikation: die Elemente der Wechselwirkung, der Interaktion zwischen den physikalischen Entitäten, kurz: Am Anfang war das Wort. Es manipuliert die Welt, wie sie uns erscheint, erschafft sie immer neu.

Der Kosmos entsteht somit als poetischer Raum, das Geschaffene wird zum Schöpfer und der Schöpfer zur Schöpfung.

Alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir mit Hilfe der Welt, aus der Welt und durch die Welt, wie sie sich in uns manifestiert.

Der poetische Raum ist wie der Kosmos selbst ein Raum der Formen. Die Geschichte des Kosmos, soweit wir sie kennen, ist eine Geschichte der Entstehung von Formen. Aus Formen entstehen neue Formen. Nichts im Kosmos ist ohne Form. Der Kosmos ist der Weg zur Form, der Weg vom Mythos zum Logos.

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